Der Film Schachnovelle (Originaltitel: Chess Story, eng. The Royal Game, 2021) ist Philipp Stölzls eher freie Auseinandersetzung mit der literarischen Primärquelle – der Schachnovelle, geschrieben von Stefan Zweig aus dem Jahr 1942. Erläuterung der Bedeutung des Films. Mit der Abkehr von der klassischen Verfilmung ist der Versuch verbunden, die Angst und Autobiografie des letzten Werkes des österreichischen Schriftstellers in der Verfilmung widerzuspiegeln, sowie mit dem Wunsch, der Tragödie einen existenziellen Charakter und unheimliche Relevanz zu verleihen. Genre „Royal Game“ ist ein zeitloser Thriller über einen Intellektuellen, der aus der gewohnten Welt herausgefallen ist und die neue Realität nicht akzeptiert hat. Der Protagonist befindet sich in äußerst destruktiven Umständen, die ihn sowohl moralisch als auch körperlich völlig zerstören. Der Film ist vielschichtig, im Kern hart und sentimental und inhaltlich eine tragische Geschichte vom Zusammenbruch der menschlichen Psyche.
Kurz gesagt, der Film kann als ein Drama von 1938 „über Walzer und Hakenkreuz“ bezeichnet werden – über die Wiener Aristokratie (vertreten durch den angesehenen Notar Josef Bartok), die achtlos auf den Bällen tanzte, und über die Nazis, die Österreich besetzten (deren Manieren und Methoden). werden durch den Gestapo-Ermittler Franz-Josef Behm nachgewiesen). Und auch – über Schach, das rettende und zugleich zerstörerische Kraft haben kann. Dieses „Spiel der gelangweilten Preußen“ mochte Bartók immer nicht, er las lieber Bücher, gute Musik, Sex mit seiner schönen Frau Anna und tolle Bälle im Rathaus. Doch im Laufe der Geschichte ändert die Hauptfigur ihre Meinung: In faschistischer Gefangenschaft wird das Spiel für ihn zu einem Mittel zur Bekämpfung geistiger Leere und psychischer Folter. Schach wird sowohl zur Krankheit als auch zur Medizin, zur Rettung vor der Einsamkeit und zur Obsession. Der Sinn des Films liegt darin, dass dem Zuschauer der menschliche Geist in Form eines Schachbretts präsentiert wird. Der Kampf findet nicht so sehr zwischen den weißen und schwarzen Figuren der Großmeister statt, sondern zwischen dem Verstand und dem Wahnsinn des Menschen.
Der Handlungsstrang des Bildes ist auf zwei Zeitebenen aufgebaut:
Das Spiel, das das „Schachgenie“ Josef Bartok mit dem „zurückgebliebenen“ Weltmeister Mirko Czentovic auf einem Schiff spielt, das Auswanderer über den Atlantik nach Amerika bringt. Verhöre durch die Gestapo und eine schreckliche Zeit in Einzelhaft in einem Zimmer des schicken Metropol-Hotels, in dem ein Wiener Notar wegen Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Nazis inhaftiert war.
Die Drehbuchautoren verletzen das Konzept des Chronotops und verschränken bewusst Zeitströme. Träume und Visionen des Protagonisten werden mit der Realität verwechselt, um den schmerzhaften Verlust seines Geistes nachzubilden. Erst gegen Ende wird dem Zuschauer klar, dass Bartok die Flucht vor dem Nazi-Regime gelang – allerdings nicht bis ans Ende der Welt, sondern bis in den eigenen Kopf. Die Entlassung aus der Gefangenschaft, das Besteigen des Schiffes und das Schach-Superspiel waren nur eine Erfindung der Fantasie des Protagonisten, seiner neuen Art, der Realität zu entfliehen. Tatsächlich stieg er vom universellen Paradies des europäischen Vorkriegslebens in die persönliche Hölle des Wahnsinns hinab.
Wichtig im Film ist, dass der Wiener Notar unpolitisch ist und von den Nazis nur gebraucht wird, um Geld von den Konten seiner wohlhabenden Kunden zu bekommen. Aber Bartok kann nicht von seinen Berufsgrundsätzen abweichen und seine Würde verlieren – er schweigt. Die Folter durch Isolation endet für den Protagonisten tragisch, obwohl er mit den Strapazen der Gefangenschaft auf jede erdenkliche Weise zu kämpfen hat: Er versucht, eine Fliege zu trainieren, lernt ein einziges Buch auswendig und findet dann einen Weg, sich intellektuell zu ernähren. Josef taucht in die Welt des Schachs ein: Er spielt in Gedanken verschiedene Partien aus der Sammlung, die er beim nächsten Verhör dem Wachmann entwenden konnte.
Aber es hilft nicht. Vor Einsamkeit und Angst wird Bartok verrückt. Informations-, Kommunikations- und emotionale Entbehrungen verwandeln einen ausgeglichenen Vertreter des weltlichen Adels und einen Dandy-Lebemann in einen gebrochenen und demoralisierten Halbtoten, gebrochen durch viele Monate Haft. Erst im Finale wird dies dem Zuschauer endgültig klar, wenn die weißen Flure der psychiatrischen Klinik auf der Leinwand zu sehen sind. Wir sehen den Protagonisten gleichzeitig in zwei Inkarnationen: als Gestapo-Häftling, der versucht, sich aus den Fängen des Wahnsinns zu befreien, und als schwachsinniges, autodidaktisches Schachgenie, dem es gelang, eine Partie gegen den Weltmeister unentschieden zu spielen.
Die Tragödie des Protagonisten zeigt das Versagen eines Idealisten, der in die Mühlsteine der Geschichte geraten ist und die neue Realität nicht akzeptieren konnte. Das Hauptthema der Handlung des Films ist das Thema des Zusammenbruchs des menschlichen Bewusstseins unter dem Ansturm der entmenschlichten Materie des Totalitarismus.